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David-Tage 2005 in Blaubeuren/Ulm

Die musikalische Seele spürt die geistige Richtigkeit
Das Unbeachtete entdeckt sich als Schwerpunkt der Dinge. (Adalbert Stifter 1847)

Wenn zu einem intimen, nur dreitägigen Musikfest, getragen von einer relativ kleinen und nicht eben finanziell potenten Gesellschaft nicht weniger als neun Werke ihres namengebenden Komponisten plus kontemporärem Vergleichskontext hochkarätig erklingen können, dann ist dies aller Achtung wert und wäre weit zahlreicheren Besuchs wert gewesen. Die Rede sei von den Davidtagen 2005, veranstaltet von der Internationalen David-Gesellschaft (IDG) vom 9. bis 11. September im Blaubeurer Kloster und Ulmer Münster, die sich der Zukunft des Werkes von Johann Nepomuk David (1895-1977) verpflichtet weiß, zweifellos eines der bedeutendsten Meister nicht nur seines 20. Jahrhunderts und deswegen derzeit naturgemäß noch nicht hoch im Kurs.

In zwei Brennpunkten standen Davids Kammermusik an zwei Terminen und sein Orgelschaffen an dreien. International renommierte Interpreten der alten und mittleren Generation, aber auch last but not least starker Nachwuchs deuten eine bereits begonnene kontinuierliche Wirkungsgeschichte in aufmerksam diskutierter Aufführungspraxis an. Da im Falle David vergleichbare Dokumente noch weitgehend fehlen, hat eine Betrachtung, wer was wo warum wie gespielt hat, generell noch kaum eine genügend breite Basis. Für ihren, auch selbstlosen Einsatz für das wichtige David-Erklingen seien also ohne Unterschied bedankt:

Der 71-jährige Nestor Prof. Lukas David (Violine, der jüngere der beiden Söhne Johann Nepomuks); Prof. Roman Summereder (Orgel, Universität Wien); Kirchenmusikdirektor Friedrich Fröschle (Münsterorganist, Ulm); das Diabelli-Trio (Stuttgart) mit Willy Freivogel (Querflöte), Angelika Wollmann (Bratsche) und Siegfried Schwab (Gitarre); schließlich das zu seltenen Besetzungen variabel zusammenstellbare Ensemble Lukas David, in unserem Falle mit Norbert Ginthör (Violoncello, Badische Staatskapelle Karlsruhe), Sibylle Langmaack (Bratsche, u.a. ebda.), Dirk Peppel (Querflöte, u.a. ebda.), und die junge David-Schülerin Imge Tilif (Violine, Musikhochschule Detmold).

Im Brennpunkt: vom Bau zum Klang im Orgelwerk

Roman Summereder führte mit seinem quasi leichthin als "Streifzug durch Joh. Nep. Davids Orgellandschaft" angesagten Vortrag in völlig freier Rede und auf hohem sprachlichen Niveau auf eine didaktisch geplante und anstrengende Wanderung. Der Hochschullehrer vermag für Spezialisten wie für Liebhaber im Auditorium detailliert jene Zusammenhänge zu erhellen, die sowohl zwischen den von JNDavid vorgefundenen als auch von ihm beeinflußten und/oder schließlich selbst geschaffenen varianten Orgeldispositionen im In- und Ausland und dem stattlichen Umfang seiner eigenen Orgelmusiken zu beachten, zu verstehen und zu erhören sind. Was er so anhand projizierter Tabellen ad oculos veranschaulicht hatte, konnte er in der Sonntagsmatinee auf der Münsterorgel ad aures erweisen.

Der Souveränität des Analytikers folgte die Kunst des Musikers Summereder, der das vorgetragene Programm als "im ganzen apokalyptisch" versteht in jenem weitgefaßten Sinne des Wortes, daß sich in JNDavid etwas wesentlich Neues in seiner zeitgleich noch akustisch dominierenden Umwelt anbahnt, bevor es sich eigene Bahn bricht. Fast eingeklemmt erschienen Davids "Introduktion und Fuge über ein Thema von Anton Bruckner" in einer bombastisch chromatisierten Umwelt, exemplifiziert an Max Reger und Franz Schmidt (das ist der mit einigen ihn überlebenden "Zwischenspielen", schwallschwelgende Programmhermeneutik, statt zu den sieben Siegeln der Apokalypse ebenso als Illustration zum "Zauberlehrling" verwendbar). In der ziemlich wolkigen Akustik des Ulmer Münsters geriet die orchestrale und mithin vergleichbare Klangfülle von Reger und Davids Michael-Konzert (mit allgegenwärtigen, aber sehr versteckt verflochtenen cantus-firmus-Phrasen) eindeutig zugunsten des letzteren. Das liegt wesentlich an Davids erstrebtem Klangstil der sogenannten Lückenregistrierung (etwa 16- mit 4-Fuß, 8- mit 2-Fuß), d. h. unter Auslassen der Zwischenoktav zur besseren Aushörbarkeit von Linearität. - Mir zeigten sich (mit Verlaub) Unterschiede von dicker und von dichter Musik.

Es darf nicht versäumt werden zu vermerken, daß und wie KMD Friedrich Fröschle, ebenfalls ausgewiesener Davidkönner, sozusagen außer Programm das David- Spektrum des zu Gehör Gebrachten bereichert hat durch weitere drei Orgelwerke, die er in den dem Konzert vorausgegangenen evangelischen Gemeindegottesdienst integriert hatte: als festliches Vorspiel das Praeludium a-moll (1931) und - fein auf den Predigttext bezogen - die Kleine Passsacaglia über "Wer nur den lieben Gott läßt walten" und als Nachspiel den Hymnus "Veni creator Spiritus" (1928), beides sehr ansprechend zu hören und gut zu verfolgen.

Im Brennpunkt: die Trios der Kammermusik

JNDavids kammermusikalische Besetzungen zählen bis drei: kein Quartett, Quintett etc., und keine hat er so oft gewählt wie das heikle, weil offenliegende Trio: allein zehn Werke zu je drei Sätzen. Es gehörte zu den Preziosen der Davidtage 2005, gleich vier davon hören zu können. Dieweil das nicht speziell trainierte Ohr nicht mehr als drei Stimmen gleichzeitig zu verfolgen imstande ist, ohne im Klangbild hin und her zu springen, wollen die Trios mir als geradezu idealer Einstieg zu JNDavid erscheinen.

Das Fest eröffnete das Ensemble Lukas David mit dem Trio für Querflöte, Violine und Viola (Werk 30): ein Werk von großer Klangfülle, sinnstiftend vom ersten Ton an in seiner hör-, ja spürbaren Kontrapunktik, auch im leichteren Kanonischen.

Eine elegische Flöte über den Streichern im Adagio, burlesk und hochvirtuos inklusive einer Stretta das Finale. Auffällige Parallelen dann im Viola-Violoncello-Duo von Darius Milhaud: die große Bratschen-Kantilene im modéré vor einem Gai, dem noch die alte Gigue Pate steht. - Die Sonate von Eugène Ysaye für den ohnehin relativ engen Tonraum zweier Violinen eröffnet mit einem sehr langen und dominanten Satz, viel zu vollgepackt und undurchsichtig bis zur deutlicheren Fuge. Dann ein imitierendes lyrisches Duett und das Allegro vivo e con fuoco, in dem der Erweiterer der franko- belgischen Violinistik nur so brillieren läßt.

Schließlich das letzte, "Jacob Stainer in memoriam" 1945 als Werk 33 geschriebene der Streichtrios in gewohnter Besetzung zu Ehren vierer großer Geigenbauer. Musik, schön in sich selbst, der man sich rückhaltlos anvertrauen mag. Ganz unerhört die wiederholend gleichen Töne des Solocellos, je abwechselnd auf verschiedenen Saiten gegriffen (Adagio) vor dem klar fugierten Finale.

Den zweiten Abend bestritt das mit Querflöte, Bratsche und Gitarre apart besetzte Diabelli-Trio, dergestalt geblasen, gestrichen und gezupft den berühmten Spaltklang der frühen Mehrstimmigkeit (und JNDavids tiefe Einwurzelung) erinnernd, welcher der Hörbarkeit linearer Strukturen so förderlich ist. Beide Trios für diese Besetzung kamen zu Gehör.

Das eine, zeitlich nicht näher definierte, ist ein Stück heitersten Ernstes. Leggiero entfalten sich über einem Ostinato unauffällig zwei Kanons, interkaliert von farbigen Tremoli, wunderbar transparent. Ein punktierter Ein-Takt-Ostinato der Bratsche beherrscht beruhigend auch das Andante, bevor die eingangs vorbereiteten kontrapunktischen Grundelemente bei diesem Komponisten mit Sicherheit in eine Fuga mit den tradierten Spiegelkünsten münden müssen.

Das andere, Werk 26 (1940), wirkte auf mich mit seinem langen Eingangssatz
kadenzierend-improvisatorisch-kaleidoskopischer. Wieder einmal das Bedauern einer fehlenden Studienpartitur! Traumhaft schön die verschleierte Solokantilene der sordinierten Bratsche im Adagio. Das abschließende Allegro scheint metrisch wie strukturell einen Bogen zurück zu schlagen zum Presto der zwischen den Trios gespielten Triosonate G-Dur von Johann Sebastian Bach. Das war er schlußendlich, der einzig gemäße Schulterschluß zwischen JSBach und JNDavid: Die musikalische Seele spürt die geistige Richtigkeit.

Bestätigter Vorstand und Ausblick

Die im Rahmen der Davidtage 2005 anberaumte Mitgliederversammlung der Internationalen David-Gesellschaft bestätigte durch allfällige Neuwahlen das seitherige internationale Leitungsgremium unter der umsichtigen Präsidentschaft der Münchner Organistin Elisabeth Biener, die den Mitarbeitern, Organisatoren und Helfern im Hintergrund schuldigen Dank zollte.

Die Davidtage 2006 werden am 11. und 12. November 2006 (Ergänzung der Redaktion) in Zusammenarbeit mit der Universität in der Geburtsstadt von Caspar David Friedrich in Greifswald stattfinden, nota bene nahe der Klosterruine Eldena, die dem Maler eines seiner zentralen Motive wurde.

Gaildorf, am 12./13.09.2005
Eberhard Maria Zumbroich

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